Ja, ich bin traurig. Und ich finde, es ist in Ordnung, heute ein bisschen traurig zu sein.
Ich wünschte, Klinsmann und die Jungs hätten es geschafft.
Ich wünschte, keine Tränen in den Augen meines Sohnes zu sehen gestern Nacht.
Ich wünschte, die Italiener wären vom Schicksal nicht belohnt worden für ihr Unfairness in der Frings-Sache.
Ich wünschte, diese geile Zeit hätte wenigstens noch ein paar Tage angehalten.
Ich wünschte, sie hätten Bruno nicht abgeknallt, denn u.a. war er auch wie ein Maskottchen für diese Mannschaft, und kaum war er tot, ging es Berg ab.
Ich wünschte, in der Bäckerei hätte man mich heute Morgen genauso fröhlich angelächelt wie an den Tagen zuvor.
Ich wünschte, ich könnte Menschen verstehen, die nach der Niederlage ihrer eigenen Nationalmannschaft in Jubelschrei und Schadenfreude ausbrechen.
Ich wünschte, ich müsste in einem deutschen Internetforum nicht von einem Schweizer lesen "Scheiß Deutsche, ihr habt es verdient" und ich als Ungarin ihm dagegen halten.
Ich wünschte, man könnte in diesem Land die deutsche Flagge tragen und sowas wie einen kollektiven Stolz und Freude und Zusammengehörigkeit empfinden, ohne dass man dafür als Rechtsradikaler eingestuft wird.
Ich wünschte, die Opportunisten würden ihre Autoflaggen nicht wie ihren Schwanz einziehen jetzt, sondern zu dem und denen stehen, die es heute genauso verdienen wie in den Tagen der Euphorie.
Ich wünschte, die positive Stimmung der letzten Zeit könnte für den Alltag übertragen werden, damit die Lethargie endet und die Menschen (wieder) daran glauben könnten, dass eine Veränderung möglich ist, dass etwas Neues kommen kann, auch wenn man dafür am Anfang rackern und Abstriche machen muss.
Ich wünschte, die Zeit würde es den Zweiflern zeigen, dass es alles nicht umsonst war und man sich im Nachhinein nicht schämen muss.
Ich wünschte, ich könnte irgendwann wieder beim Italiener um die Ecke ein Eis essen und mich dabei wohl fühlen.
Einige dieser Wünsche kann und wird nicht in Erfüllung gehen. Und meine Traurigkeit gilt heute diesen unerfüllten Wünschen.
Aber manche von diesen Wünschen hätte ich vor ein paar Wochen gar nicht erst artikulieren können, weil dazu die Grundlage fehlte. Und dass ich heute über solche Wünsche überhaupt nachdenke, das verdanke ich - so grotesk es auch klingen mag - dieser WM.
Heute las ich in einem Forum "Der wahre Gewinner dieser WM ist Deutschland". Ich möchte daran glauben.
Und meine Fahne bleibt. :-)