Mittwoch, November 09, 2005

wiedersehen

als kind hatte ich einen hund. einen schwarzen mischling mit weißer weste auf der brust. meine mutter nannte ihn "judy", weil sie die "daktari" serie sehr mochte, aber den namen "clearance" zu schwer fand. dass beide namen eigentlich unpassend waren, störte uns nicht. mich schon gar nicht. ich hatte endlich einen hund. ich war 9, und judy ein freund. wir hatten keine leine, damals, am stadtrand von budapest brauchte man keine leine. ich hätte ihn auch nicht anbinden wollen. wen man lieb hat, den bindet man nicht an, dachte ich.

ich war 12 als judy getötet wurde. wir hatten zwei nachbarn, die im streit mit uns waren. judy war ihnen egal. aber er war leichter zu töten als wir. also haben sie ihn in den brunnen geworfen. ich habe mir geschworen, nie wieder ein haustier zu haben.



als unser sohn 6 wurde, wollte er das erste mal einen hasen. zwei häuser weiter im dorf, im hinterhof eines älteren ehepaars stand ein hasenstall mit 9 käfigen. vom frühling bis in den herbst waren wir dort täglich zu besuch. pflückten löwenzahn und dicke, saftige, grüne gräser und futterten die schlappohren. sie waren so lustig und schön und so weich zum streicheln. die alten leute waren dankbar und sehr freundlich zu uns. sie haben uns vieles gefragt, wie es in ungarn war und ob wir uns in deutschland schon eingelebt hätten. und wir haben immer viel gelacht. zu ostern bekamen wir von ihnen 2 hasen. gehäutet, ausgenommen, küchenfertig. wir sind danach immer seltener zu den käfigen gegangen.



in unserem garten versammelten sich oft die verwilderten katzen. wir haben ihnen immer was zugeworfen, es wurden täglich mehr. an einem samstag morgen im april lagen zwei frisch geworfene katzenbabies auf der terasse vor der eingangstür. das eine regungslos, das andere kämpfte noch. die katzenmutter spurlos verschwunden, sie ließ ihre jungen da, wie katzen manchmal ihre beute vor die tür legen. warum, wussten wir nicht. was wir tun sollten, wussten wir ebenso wenig. der tierarzt winkte mit einem freundlichen aber entschiedenen "sowieso hoffnungslos" ab. aber das kätzchen gab nicht auf, schrie sich die seele aus dem kleinen leib und forderte ihr recht zum leben ein. wochenlang haben wir nicht anderes im kopf gehabt, nachts den wecker gestellt, damit "unser baby" alle 3-4 stunden sein fläschchen mit dem ersatzmilch bekommt. wir nahmen es zu uns ans bett, damit wir hören, wenn es uns braucht und schauten glücklich zu, wie es im schlaf ruhig atmete. die katze überlebte. wir nannten sie bravo, weil sie das geschafft hat, was ihr niemand zugetraut hatte.

als sie 4 jahre später plötzlich innerhalb von ein paar tagen an nierenversagen starb und der tierarzt mich in der arbeit anrief, um es mitzuteilen, heulte ich vor allen leuten laut los.




mäusilein, knödel und primadonna haben aus unseren erfahrungen mit bravo profitiert. ihre mutter hat sie in unserem heizungskeller zur welt gebracht und pflegte sie auch ordentlich 2 wochen lang. danach verschwand sie. vielleicht war es ein tier, vielleicht gift oder ein auto, wir erfuhren es nie. aber die 3 katzen konnten wir nicht sterben lassen. sie bekamen einen großen orangenkarton als zuhause, weich und warm gemacht mit alten t-shirts. in fläschchen zubereiten waren wir schon profis, diese wollknollen zu lieben mussten wir nie lernen.

gestern fand jo primadonna tot auf der straße. sie ging sonst nie soweit weg vom haus. sie wollte immer rein, auch wenn die drei mal rausgelassen wurden. einmal machte ich ein foto von ihrem sehnsüchtigen blick in die küche. jetzt wird sie nie mehr um einlass betteln müssen.





ich wollte nie wieder ein haustier haben. damals. ich wusste, dass es immer wieder passieren wird. dass sie von uns gehen. und dass der glaube an die regenbogenbrücke nicht den schmerz lindert, den man verspürt, wenn sie gehen. "wer nicht loslassen kann, sollte sich nicht verlieben", habe ich mal gelesen. wer nicht loslassen kann, sollte die finger von tieren lassen...

es war eine lange nacht gestern. wohltuend tränenreich. sie waren alle da. nicht nur die, deren name erhalten bleibt, auch die anderen. der igel im gebüsch unter den tannen. der junge elster. die überfahrene katze, die wir mal auf der straße gefunden und zum tierarzt gebracht haben. ich bin froh, dass sie da waren. und dass ich heute über sie erzählen konnte.

5 Comments:

At 10/11/05 09:58, Anonymous Anonym said...

So sind sie. Sie kommen immer wieder. Und Du weisst ja was man über diese besondere, bunte Brücke sagt. Da warten sie dann eines Tages alle.

Was für einen mitreissenden Stil Du hast.

 
At 10/11/05 12:30, Anonymous Anonym said...

Rejoice, O young cat, in thy youth !

... and she did, because of her human catmom.

Schade, dass sie jetzt gehen musste - ein Vorausgehen mit Wiedersehen ? Nein, weil sie immer da sein wird in euren Herzen, auch in Knödels Herz sogar. ;-) Somit lebt ihr alle weiterhin zusammen und sie war niemals weg.

 
At 10/11/05 16:35, Blogger lightdot said...

danke tom.

danke jabba.

 
At 10/11/05 20:32, Anonymous Anonym said...

Es tut mir sehr leid, Esti. Aber wie meine Vorredner schon geschrieben haben und wie Du auch weißt, es wird ein Wiedersehen geben. Und das wird ein glückliches Wiedersehen werden, glaube daran.
Liebe Grüße und ein Drücker von
Timo

 
At 12/11/05 08:32, Blogger lightdot said...

danke timo.

danke jürgen.

ich weiß, natürlich. es war nur soviel leichter, nachdem ich darüber schreiben konnte.

 

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